Whistleblowing-Meldestelle
Welche Verpflichtungen gelten für dein Unternehmen?
Die Pflicht zur Einrichtung einer Whistleblowing-Meldestelle ist in vielen EU-Ländern bereits Gesetz. Auch Schweizer Unternehmen müssen unter bestimmten Umständen reagieren. Was genau Whistleblowing bedeutet, wann dein Unternehmen betroffen ist – und was du jetzt tun solltest – erfährst du hier kompakt zusammengefasst.
HR Know-how | Vanessa Hunkeler-Bolliger

Was ist Whisteblowing genau?

Whistleblowing bezeichnet das Aufdecken und Melden von Missständen, Fehlverhalten, illegalen Praktiken oder ethischen Verstössen innerhalb einer Organisation durch Mitarbeitende oder andere Personen mit Insiderwissen. Eine Whistleblowing-Meldestelle bietet einen sicheren und vertraulichen Kanal für solche Hinweise. Sie ermutigt potenzielle Hinweisgeber:innen, ihre Beobachtungen ohne Angst vor Repressalien zu teilen.

Und wie hilft es Unternehmen oder der Gesellschaft?

Durch die frühzeitige Erkennung von Problemen können Unternehmen schnell reagieren, Schäden minimieren und ihre Integrität wahren. Eine gut implementierte Meldestelle fördert zudem eine transparente Unternehmenskultur und ein wertvolles, gemeinsames Verständnis von ethischem Verhalten innerhalb der Organisation. Letztlich dient eine Whistleblowing-Meldestelle jedoch nicht nur dem Schutz des Unternehmens, sondern ist auch im öffentlichen Interesse wichtig.

Wer darf etwas melden und was ist ein Verstoss?

Das Gesetz sieht vor, dass nicht nur aktuelle, sondern auch ehemalige Mitarbeitende sowie Bewerber:innen und Geschäftspartner:innen Meldungen einreichen können. Meldbare Verstösse umfassen ein breites Spektrum, darunter:

  • Korruption und Bestechung
  • Verstösse gegen Finanzkontrolle und Rechnungslegung
  • Umweltvergehen
  • Verletzungen des Arbeitsrechts
  • Datenschutzverstösse

Missstand melden: die EU-Whistleblower-Richtlinie

In der EU sind heute viele Unternehmen per Gesetz dazu verpflichtet, eine Whistleblower Meldestelle einrichten zu müssen1. Dies gilt unter anderem für:

  • Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mit mindestens 50 Mitarbeitenden
  • Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro
  • Unternehmen aus dem Finanzsektor

Bei der Einrichtung und dem Betrieb einer Whistleblowing-Meldestelle müssen Unternehmen zudem folgende Richtlinien beachten:

  1. Vertraulichkeit: Die Identitäten des Hinweisgebenden und aller in der Meldung genannten Personen müssen geschützt werden. Es ist wünschenswert, aber keine Pflicht, dafür zu sorgen, dass eine Meldung vollkommen anonym abgegeben werden kann.
  2. Nicht nur ein Meldekanal: Es müssen verschiedene Möglichkeiten zur Meldung bestehen, darunter schriftliche und mündliche Kanäle. 
  3. Bearbeitung der Meldungen: Eingehende Meldungen müssen sorgfältig geprüft und angemessene Folgemassnahmen ergriffen werden. Die zuständige Stelle muss Verstösse und Missstände effektiv untersuchen.
  4. Dokumentation: Alle eingehenden Meldungen müssen in einem Whistleblowing-Report dokumentiert und drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden. In Einzelfällen kann es erforderlich sein, die Dokumentation länger aufzubewahren.
  5. Schutz vor Repressalien: Hinweisgeber:innen müssen vor jeglichen Benachteiligungen in ihrer beruflichen Tätigkeit geschützt werden.
  6. Informationspflicht: Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden über die Möglichkeiten und Verfahren zur Meldung von Missständen informieren.

Whistleblower-Meldestelle einrichten: diese Möglichkeiten gibt es

Bei der Einrichtung einer Meldestelle haben Unternehmen verschiedene Optionen:

  • Interne Lösung: Einrichtung einer eigenen Abteilung oder Benennung verantwortlicher Mitarbeitender, die über notwendige Fachkunde verfügen und in der Ausübung dieser Tätigkeit unabhängig sind
  • Externe Lösung: Beauftragung eines spezialisierten Dienstleisters oder einer Ombudsperson (z.B. einem Rechtsanwalt)
  • Digitale Lösungen: Implementierung eines webbasierten Hinweisgebersystems
Unabhängig von der gewählten Lösung muss sichergestellt sein, dass die Whistleblowing-Meldestelle unabhängig arbeiten kann und über die notwendigen Ressourcen und Kompetenzen verfügt.

Whistleblowing-Regelungen in der Schweiz

Als Nicht-EU-Mitglied ist die Schweiz nicht verpflichtet, die EU-Whistleblower-Richtlinie umzusetzen. Ein Gesetzesentwurf zum „Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz“ wurde 2020 vom Parlament abgelehnt. Ein nationales Gesetz zum Schutz von Hinweisgeber:innen gibt es hierzulande daher bislang nicht. Allerdings hat der Kanton Genf ein spezifisches Gesetz erlassen. Dieses gilt für Mitarbeitende der kantonalen Verwaltungen, Gemeindebehörden und öffentlichen Einrichtungen des Kantons. Die Eidgenössische Finanzkontrolle betreibt ebenfalls eine Whistleblowing-Meldestelle. Ebenso haben einige öffentliche Verwaltungen eine Beschwerdestelle eingerichtet. Wieder andere Unternehmen haben freiwillig Meldestellen zur Verfügung gestellt.

Wann müssen sich Schweizer Unternehmen an die EU-Richtlinie halten?

Anders verhält es sich, wenn ein Schweizer Unternehmen ebenfalls in der EU tätig ist. Verfügt dein Unternehmen also über eine weitere Niederlassung in der EU, sollte es die Einhaltung der EU-Richtlinie 2019/1937 im Grundsatz gewährleisten, indem es eine interne DSGVO-konforme Meldemöglichkeit und Untersuchung bereitstellt.

Wie sieht es im EWR aus – zum Beispiel in Liechtenstein?

Die Richtlinie gilt nicht automatisch für Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) wie Liechtenstein. Sie muss erst in das EWR-Abkommen aufgenommen werden – ein Prozess, der noch läuft. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Es ist aber wahrscheinlich, dass sie in Kraft treten wird. Betroffene Unternehmen sollten sich also schon jetzt vorbereiten.


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